Übernahme der Insel-Apotheke

Lieferkrise inklusive: Neuanfang auf Helgoland

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Berlin -

Dass ein Neuanfang auch einmal holprig sein kann, ist nichts Ungewöhnliches. Dabei hätte der Start von Anika Schwarzmann als neue Apothekerin auf Helgoland eigentlich richtig gut verlaufen können. Doch die besonderen Bedingungen vor Ort machten ihr einen Strich durch die Rechnung – und zeigten Schwarzmann gleich zu Beginn, vor welchen Herausforderungen man als Inhaberin auf der Nordseeinsel steht; zum Beispiel, wenn plötzlich keine Lieferungen mehr per Flugzeug ankommen. 

„Wir können uns nicht beklagen“ – so Schwarzmanns erstes Resümee zu ihrer Insel-Apotheke. Ihrem Vorgängerpaar Carsten Hase und Isolde Maiwald-Hase konnte sie bereits vor der Übernahme zum April über die Schulter schauen und sich langsam an das neue Inselleben gewöhnen. Im Frühjahr ging es aus Bayern in die Nordsee. Auch der Rest der fünfköpfigen Familie ist gut auf Helgoland angekommen.

Dabei gab es im April, direkt nach ihrer Übernahme, erst einmal eine böse Überraschung: Seit dem 24. April bot der Ostfriesische Flugdienst (OFD) keine Flüge mehr zwischen der Hochseeinsel und dem Festland an. Für die bisher eingesetzten Flugzeuge fehlten schlicht die Ersatzteile – ein Lösung für die ausgemusterten Modelle fehlte lange. Das Problem: Bisher wurden alle von der Insel-Apotheke bestellten Arzneimittel per Flieger geliefert. Für Schwarzmann begann zum Start also die Suche nach Alternativen.

Flugausfall sorgte für Lieferprobleme

Schwarzmann ist Kundin bei Pharma Privat und Alliance. „Pharma Privat ist uns lange Zeit komplett weggebrochen. Sie haben zwar eine gute Lieferfähigkeit bei vielen selteneren Präparaten – aber sie fliegen ausschließlich, da ging es nicht mit dem Schiff.“ Deshalb kam es zu Verzögerungen, unter anderem auch bei einer Patientin, die mit einem BtM versorgt werden musste; egal, welche Hebel Schwarzmann auch in Gang zu setzen versuchte. Den Versandweg per Schiff konnte der größere Vollversorger, der sie beliefert, hingegen spontan zusätzlich anbieten.

Da sie selbst lange positive Erfahrungen mit Sanacorp machte, fragte sie auch hier aktiv nach, ob es Möglichkeiten gäbe, nach Helgoland zu liefern, um wieder auf zwei Großhändler vertrauen zu können. Aber: „Die waren nicht bereit, das zu liefern.“ Böse ist die Neu-Inhaberin in der ganzen Situation niemandem gewesen: „Wenn sie hier noch Schiff und Flieger bezahlen müssen, da wissen auch Großhändler, das lohnt sich nicht. Ich bin froh, die beiden Partner zu haben.“

Der Arzneimitteltransport auf die Hochseeinsel läuft normalerweise per Flugzeug.Foto: Arnd Drifte/stock.adobe.com

„Das sind alles Absurditäten“

Am vergangenen Freitag dann der erleichternde Anruf: Beide Großhändler können wieder per Flugzeug liefern. Nun werden die Arzneimittel – hoffentlich recht zuverlässig wie auch zuvor – von Cuxhaven aus auf die Insel geflogen. Die neuen Maschinen seien jedoch leichter und kleiner als die bisherigen – Schwarzmann muss nun abwarten, welche Witterungen die Flieger am Ende mitmachen. „Wenn man als Otto-Normalverbraucher vom Festland da reinkommt, sind das alles Absurditäten.“

Grundsätzlich habe aber trotz dieser Schwierigkeiten am Ende alles geklappt – auch dank der Unterstützung ihres neuen Umfeldes. „Es helfen alle und erklären mir alles.“ Auch der OFD rief direkt bei ihr an, um sie über den wieder einsetzenden Flugbetrieb zu informieren. Am Hafen hat die Inhaberin sich schon mit dem Kapitän unterhalten, und auch am Hafen in Cuxhaven hat sie mit den Leuten vor Ort gesprochen – „damit man sich kennt“. Ihr Eindruck von den Menschen in der neuen Heimat: „Alle helfen einander und halten zusammen.“ Die Helgoländer seien ohnehin vor allem dankbar, dass es mit der Apotheke weitergeht.

Die Insel-Apotheke versorgt wenige Insulaner:innen und mehrere Hundert Tausend Tourist:innen jährlich.Foto: Carsten Hase

Eine PTA und die Vorgänger als Unterstützung

Während sich bisher das Ehepaar Hase gegenseitig im Apothekenalltag unterstützte, hat Schwarzmann PTA Nadine Springborn an ihrer Seite. Springborn ist gebürtige Helgoländerin und konnte nun durch die Stelle wieder zurück auf die Insel kommen. Passenderweise haben die beiden auch Töchter im gleichen Alter, womit auch direkt ein weiterer Ankerpunkt geschaffen werden konnte.

Die PTA startete zur Übernahme am 1. April und wurde direkt ins kalte Wasser geworfen. „Sie musste sich in das neue Computersystem einarbeiten und ich war ständig mit anderen Sachen beschäftigt“, erzählt Schwarzmann. Das frühere Inhaberpaar helfe ebenfalls aus, vor allem, wenn die neue Inhaberin Urlaub macht.

Erstmals eine Apotheke zu übernehmen sei auch abseits der Insel-Herausforderungen nie ganz ohne Hürden. „Der Anfang war schon wild“, betont Schwarzmann. „Sepa-Mandate! Mein Unwort! Ich weiß nicht, wie viele ich in den vergangenen Wochen unterschrieben habe.“ Zudem hieß es, sie könne das EC-Kartengerät des Vorbesitzers übernehmen – das ging dann doch nicht so einfach; ganze zwölf Tage lang konnte sie keine Kartenzahlung bieten. „Ich hatte auch Angst, dass das mit der TI nicht geklappt.“ Doch hier funktionierte zum Glück alles reibungslos.

Anika Schwarzmanns neues Reich – die Neu-Inhaberin wurde auf der Insel gut aufgenommen.Foto: Insel-Apotheke

„Freiheit, die den Kindern richtig gut tut“

Etwa 1200 Menschen leben auf Helgoland, jährlich kommen rund 300.000 Tourist:innen dazu. Die autofreie, etwas mehr als einen Quadratkilometer große Insel hat somit einen ganz besonderen Versorgungsgrad; vor Ort gibt es eine Hausarztpraxis sowie eine neurologische Schwerpunktklinik, Fachärzt:innen kommen rotierend für Sprechzeiten vorbei. „Wenn die Rezepturen reinkommen, weiß man: Ah, der Hautarzt war da.“

Was Schwarzmann bereits in den wenigen Wochen auf Helgoland, abgesehen von der allgemeinen Hilfsbereitschaft, gelernt hat: „Es ist alles entspannter als auf dem Festland. Auch, dass es keine Autos gibt, entschleunigt automatisch. Keiner muss hier einen Bus oder eine U-Bahn erwischen.“ Die Kinder können einfach draußen spielen, Sorgen um den Autoverkehr entfallen – „eine Freiheit, die denen richtig gut tut“. Als einzige Startschwierigkeiten hatte die Katze, die aufgrund der anderen Haustiere draußen zunächst nicht mehr das Haus verlassen wollte. Aber auch sie sei inzwischen angekommen.

Wie lange die Apothekerin nun Helgoland erhalten bleibt, wird die Zeit zeigen. „Aktuell sehe ich kein Ende“, betont Schwarzmann. Dennoch: „Ich brauche immer eine Exit-Strategie. Die Schule geht hier nur bis zur zehnten Klasse, da muss man gucken. Und was wir machen, wenn die Kinder aus dem Haus sind – vielleicht arbeiten mein Mann und ich dann wieder für Ärzte ohne Grenzen.“ Für die Kinder sei es jetzt wichtig, eine neue Heimat zu haben und diese auch zu behalten. Abschließend kommentiert die knapp 50-jährige Neuinhaberin: „Und bis ich mich am Meer sattgesehen habe, dauert es noch.“

Anlässlich ihrer Übernahme hat die NDR Nordreportage Schwarzmann besucht – die Doku zeigt die besonderen Herausforderungen der Apotheke auf der Hochseeinsel.

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