Apotheker Christoph Rheinheimer hat den Telemedizin-Anbieter DoktorABC getestet – und dabei Lücken offengelegt. Als Mann erhielt er ohne Probleme ein Rezept und kurz darauf die entsprechende Verhütungspille. Auch wenn er seine Identität dabei leicht verschleiert hat, warnt er vor fehlender Patientensicherheit. Seitens der Plattform werden die eigenen Prüfmechanismen betont, aber in Einzelfällen mögliche Ablauffehler eingeräumt.
Rheinheimer wollte wissen, wie leicht es ist, ein Rezept für eine Anti-Baby-Pille zu bekommen. Der Inhaber der Rochus Apotheke im saarländischen Spiesen-Elversberg startete die sogenannte Online-Beratung und beantwortete die Gesundheitsfragen. „Da musste ich ein bisschen tricksen“, räumt er ein.
Bei den persönlichen Daten gab er in der Anrede „Frau“ statt „Mann“ an und seinen Vornamen kürzte er auf „Chris“. Doch die Adresse seiner Hauptapotheke sei korrekt gewesen, betont er. Eine weitere Prüfung, wer der Tele-Patient ist, hat es offenbar nicht gegeben.
Zudem wurde er gefragt, ob er schon bei einem Gynäkologen zur Untersuchung war. Auch hier nahm er es mit der Frage nicht ganz genau. „Es stimmt, dass ich oft bei einem Gynäkologen bin, aber nicht zur Untersuchung. Einer meiner besten Freunde ist Frauenarzt“, erklärt er. Außerdem gab er an, zuvor bereits eine Pille benutzt zu haben. „Ich wurde nicht gefragt, wie ich die vertragen habe.“
Nachdem alle Fragen beantwortet waren, erhielt er eine „Auftragsbestätigung“. Darin wurde das weitere Vorgehen geschildert: „Sobald Ihre Zahlung bei uns eingegangen ist, bearbeiten wir Ihre Bestellung wie folgt: 1. Der behandelnde Arzt überprüft Ihren Behandlungsfragebogen. 2. Das Rezept wird online ausgestellt, insofern es keine Rückfragen gibt und die Behandlung für Sie geeignet ist. 3. Ihr Medikament wird von der Apotheke Die Herz Apotheke – Spandau, Adresse: undefined, versandkostenfrei innerhalb 24 – 48 Stunden versendet“, hieß es in der E-Mail.
Sechs Minuten später kam eine E-Mail, worin sich Dr. Viktor Simunovic, als „Ihr behandelnder Arzt bei DoktorABC“ vorstellte. Der Mediziner aus Kroatien fragte: „Ich schreibe Ihnen, um mich zu erkundigen, ob Sie mit dem verschriebenen Medikament zufrieden sind und um nach Ihrem allgemeinen Wohlsein zu fragen. Sollten Sie Fragen zur Behandlung bzw. Anwendung Ihres Medikaments haben oder unerwartete Nebenwirkungen bemerken, können Sie mich gerne direkt über Ihr DoktorABC-Konto kontaktieren.“
Wiederum zwei Minuten später war das Rezept genehmigt, was ihm ebenfalls per E-Mail mitgeteilt wurde: „Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass Dr. med. (Kroatien) Viktor Simunovic Ihre Behandlungsanfrage geprüft und ein Rezept ausgestellt hat. Die Apotheke wird das Medikament umgehend versenden, damit Sie Ihre Bestellung schon innerhalb 24 – 48 Stunden erhalten können. Bitte lesen Sie immer Ihre individuellen Behandlungshinweise, bevor Sie Ihr Medikament verwenden.“
Wenige Tage später sei die Verhütungspille für rund 36 Euro angekommen. Sie sei direkt in die Apotheke geliefert worden. „Es fiel gar keinem auf, dass ich ein Mann bin.“ Der Inhaber warnt wie Kolleg:innen vor solchen Plattformen: „Jedes junge Mädchen kommt ohne Probleme an ein Rezept“, sagt er. Sein Freund, der Gynäkologe, sehe dieses Geschäftsmodell ebenfalls kritisch und habe den Fall, der bereits knapp zwei Jahre zurückliegt, bei der Ärztekammer gemeldet. „Ich glaube aber, das Problem ist, dass der Rattenschwanz zu lang wird. Unterm Strich passiert nie was.“
DoktorABC ist eine Plattform, die derzeit massiv Werbung für die Rezept- und Medikamentenbestellung macht. Das Unternehmen, hinter dem die britische Firma Sky Marketing und ein israelischer Investor steht, will in verschiedenen Therapiegebieten mitmischen. Zusätzlich zu Frauengesundheit können auch Rezepte in den Bereichen Männergesundheit wie Erektionsstörungen, sexuelle Gesundheit, Allgemeine Medizin oder seit August Cannabis angefordert werden.
Ein Sprecher von Sky Marketing verweist darauf, dass grundsätzlich alle Bestellungen sorgfältig kontrolliert würden: „Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte prüfen jeden Antrag individuell anhand der angegebenen Daten und treffen ihre Entscheidung auf medizinischer Grundlage. Auch unsere Partnerapotheken halten sich an strenge Vorgaben bei der Bearbeitung und dem Versand von verschreibungspflichtigen Medikamenten"
Er räumt jedoch ein, dass es in Einzelfällen zu Fehlern im Ablauf kommen könne. „Solche Fälle sind selten, aber nicht gänzlich auszuschließen – insbesondere wenn Angaben missverständlich oder bewusst falsch gemacht wurden. Wir nehmen solche Rückmeldungen sehr ernst und prüfen den beschriebenen Vorgang intern, um unsere Prozesse weiter zu optimieren und Missbrauch bestmöglich zu verhindern.“
Der saarländische Apotheker verfolgt das Thema am Rande weiter: „Ich bekomme seitdem ständig E-Mails mit Gutscheinen.“ Am Black Friday etwa wurde mit einem „Wohlbefinden Sale“ geworben: „100 Prozent Rezept-Rabatt für die gesamte DoktorABC-Seite“, hieß es. „Wir kämpfen mit ungleichen Waffen“, so Rheinheimer.