Rezeptfälschungen für GLP-1-Rezeptoragonisten nehmen zu; nicht zuletzt durch Prominente, die die Nachfrage in die Höhe treiben. Das Bundeskriminalamt (BKA) und Krankenkassen warnen vor professionellen Fälschern, während Apotheken zunehmend Opfer eines lukrativen Schwarzmarkts werden.
Das Bundeskriminalamt (BKA) hat in den vergangenen beiden Jahren ein Anstieg der Fälle von Rezeptfälschungen beobachtet, mit denen Menschen an gewichtsreduzierend wirkende Arzneimittel kommen wollten. Eine genaue Statistik dazu gibt es laut einem Sprecher aber nicht.
Im Sicherheitsbericht 2024 des Innenministeriums Baden-Württemberg ist das Phänomen ebenfalls ohne konkrete Zahlen beschrieben. „Bei den ermittelten Tatverdächtigen handelt es sich oftmals um reisende und überregional agierende Tätergruppierungen mit osteuropäischer Herkunft“, heißt es dort.
Auch der GKV-Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen berichtete davon, dass in den vergangenen beiden Jahren vor allem die Zahl professionell gefälschter Papierrezepte drastisch zugenommen habe.
Bei den gefälschten Rezepten geht es nach Einschätzung von Abda-Präsident Thomas Preis um Papierverordnungen. Diese seien inzwischen so gut zu fälschen, dass Apothekerinnen und Apotheker kaum eine Chance hätten, dies zu entlarven. „Da geht es manchmal um Arztadressen oder Angaben von Versicherten, die es gar nicht gibt“, betonte Preis im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Fälschungen von E-Rezepten kennen wir bisher nicht.“ Beim GKV heißt es zumindest, eine konsequente Nutzung des E-Rezeptes dürfte Fälschungen in Zukunft deutlich erschweren.
Dass Fälschungen zunehmen, erklärt Preis gegenüber der dpa damit, dass „Berichte in der Laienpresse oder Werbung durch Influencer“ die Nachfrage nach diesen Präparaten fördern. „Das macht es dann verführerisch für Kriminelle.“ Auch er geht davon aus, „dass die gesteigerte Nachfrage, der eingeschränkte Patientenkreis sowie der höhere Preis dieser Arzneimittel ebenfalls eine wesentliche Rolle spielen“.
Ozempic (Semaglutid, Novo Nordisk) ist seit Januar 2018 zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 bei Erwachsenen als Zusatz zu Diät und körperlicher Aktivität zugelassen. Eine Anwendung zur Gewichtsreduktion stellt eine Off-Label-Anwendung dar und ist in Deutschland nicht zugelassen.
Wegovy (Semaglutid, Novo Nordisk) ist seit Januar 2022 ausschließlich zur Gewichtsreduktion bei Erwachsenen mit Adipositas (BMI ≥30 kg/m²) oder Übergewicht (BMI ≥27 kg/m²) mit mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung zugelassen und seit dem 15. Juli 2023 auf dem deutschen Markt verfügbar.
Mounjaro (Tirzepatid, Lilly) hingegen ist seit November 2022 sowohl zur Behandlung von Typ-2-Diabetes als auch als Zusatz zu Diät und körperlicher Aktivität zugelassen. Seit Dezember 2023 ist es auch zur Gewichtskontrolle bei Adipositas (BMI ≥30 kg/m²) oder Übergewicht (BMI ≥27 kg/m²) mit mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung zugelassen.
Die Wirkstoffe Semaglutid und Tirzepatid imitieren unter anderem die Wirkung des Darmhormons GLP-1: Dem Gehirn wird mitgeteilt, dass gegessen wurde und es ein Sättigungsempfinden entwickeln könne. Der Appetit wird also gezügelt.
Oft falle die Fälschung erst bei einer Prüfung durch die Krankenkassen auf, sagt Preis. Diese würden sich häufig weigern, die Kosten zu übernehmen, wodurch die Apotheken auf den Kosten sitzen blieben. „Das ist ein großer finanzieller Schaden“, macht der Abda-Präsident deutlich. Auch der GKV-Spitzenverband erläutert, dass selbst vergleichsweise wenige Fälle durch ihre Hochpreisigkeit im Ergebnis hohe Schadenssummen verursachten.
Die Apotheken seien laut Preis in einem Spannungsverhältnis: „Man muss schon schwerwiegende Gründe haben, um eine Versorgung mit Arzneimitteln zu verweigern. Bei Hunderten eingelösten Rezepten pro Tag müssten die Mitarbeitenden hier sehr schnell abwägen und entscheiden.“
Preis warnt davor, rezeptpflichtige Abnehmpräparate ohne Begleitung von Ärzten oder Apothekern einzunehmen – was bei gefälschten Rezepten in der Regel aber der Fall sei. „Eine Eigentherapie ist gefährlich“, warnt er. Gleiches gelte für Mittel auf dem Schwarzmarkt, deren Dosierung oft nicht stimme. Manchmal enthielten sie auch gar keinen Wirkstoff, gesundheitsschädliche Dosierungen oder andere, bedenkliche Stoffe.
Ja, das passiert auch. Im baden-württembergischen Sicherheitsbericht wird der Kauf von 199 Packungen „Ozempic“ durch einen Freiburger Großhändler geschildert. „Auffällig dabei: Die gelieferten Ozempic-Stifte weisen alle die identische Seriennummer auf.“ Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) habe die Überwachungsbehörde in Karlsruhe informiert.
Diese bestätigte demnach, dass es sich um umetikettierte Insulin-Stifte handele. Ferner habe sie festgestellt, dass Semaglutid in diesen Proben nicht vorhanden war. Das Insulin wiederum könne zu einer lebensbedrohlichen Unterzuckerung bei Nutzerinnen und Nutzern führen.
Die gefälschten Produkte tauchten den Angaben zufolge auch in Großbritannien und Österreich auf. Bei den Ermittlungen hätten sich Bezüge nach Nordrhein-Westfalen und Bayern sowie ins inner- und außereuropäische Ausland ergeben.
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