Internationale Studie

Migräne: Ubrogepant wirkt vor Schmerzbeginn

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Berlin -

Was wäre, wenn man eine Migräne unterbrechen könnte, bevor sie richtig beginnt? Genau das hat sich ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des King’s College London und der University of California Los Angeles gefragt. Sie konnten nachweisen, dass Ubrogepant in der Vorphase einer Migräne wirksam sein kann.
Symptome wie Reizempfindlichkeit, Konzentrationsprobleme oder Nackenschmerzen gingen teils innerhalb weniger Stunden zurück.

Die Studie untersuchte konkret, ob Ubrogepant bereits in der Vorphase einer Migräne, also noch bevor der Kopfschmerz beginnt, wirksam gegen typische prodromale Symptome ist. Diese Symptome wie Lichtempfindlichkeit, Geräuschempfindlichkeit, Nackenschmerzen, Müdigkeit oder kognitive Einschränkungen treten bei vielen Betroffenen mehrere Stunden vor der eigentlichen Kopfschmerzphase auf und können den Alltag erheblich beeinträchtigen.

Das Ziel war zu prüfen, ob eine frühzeitige Arzneimittelgabe nicht nur den Kopfschmerz verhindert, sondern auch diese belastenden Symptome lindert. „Die Behandlung mit Ubrogepant in der prodromalen Phase könnte häufige Vorbotensymptome lindern – mit ersten Verbesserungen möglicherweise bereits eine Stunde nach Einnahme.“

Ubrogepant gehört zur Klasse der Gepante, also oraler CGRP-Rezeptorantagonisten. Diese blockieren die Wirkung des Migräne-Botenstoffs CGRP und unterbrechen so die Migränekaskade. Im Unterschied zu Triptanen wirken sie nicht gefäßverengend und gelten als gut verträglich, auch bei kardiovaskulären Risikopatient:innen.

Frühzeitige Behandlung beeinflusst Symptomverlauf deutlich

Bei dieser Erhebung handelt es sich um eine multizentrische, randomisierte, placebo-kontrollierte, doppelt verblindete Phase-III-Studie. Insgesamt wurden 518 Personen mit Migräne eingeschlossen, von denen 477 in die sogenannte mITT-Population aufgenommen wurden. Diese „modified intention-to-treat“-Gruppe umfasst alle Teilnehmenden, die mindestens ein qualifizierendes Prodromalereignis behandelten und in den folgenden 24 Stunden eine Bewertung zu Kopfschmerzen abgaben.

In zwei Behandlungsphasen erhielten die Teilnehmenden je nach Gruppe entweder Ubrogepant 100 mg oder ein Placebo. Die Einnahme erfolgte, sobald die Betroffenen sicher waren, dass innerhalb von ein bis sechs Stunden eine Migräne einsetzen würde – zu einem Zeitpunkt also, an dem noch kein Kopfschmerz vorhanden war, wohl aber typische Vorbotensymptome.

Bereits eine Stunde nach Einnahme zeigte sich bei mit Ubrogepant behandelten Personen ein deutlicher Rückgang einzelner Symptome:

  • Konzentrationsstörungen waren nach einer Stunde bei 9 Prozent nicht mehr vorhanden, gegenüber nur 2 Prozent unter Placebo.
  • Lichtempfindlichkeit verschwand nach zwei Stunden bei 20 Prozent der mit Ubrogepant behandelten Ereignisse, im Vergleich zu 13 Prozent unter Placebo.
  • Müdigkeit besserte sich nach drei Stunden bei 27 Prozent unter Wirkstoffeinfluss, gegenüber 17 Prozent unter Placebo.
  • Nackenschmerzen und Geräuschempfindlichkeit gingen unter Ubrogepant signifikant schneller zurück.

Insgesamt benötigten 22 Prozent der Wirkstoff-Gruppe eine Notfallmedikation innerhalb von 24 Stunden, verglichen mit 39 Prozent in der Placebogruppe. Die Behandlung war gut verträglich, schwerwiegende Nebenwirkungen traten nicht auf.

Hinweise auf zentralnervöse Mechanismen

Die Ergebnisse machen laut des Forschungsteams deutlich, dass die prodromale Phase einer Migräne therapeutisch nutzbar ist – nicht nur zur Kopfschmerzprävention, sondern auch zur gezielten Linderung belastender Frühsymptome. Besonders bemerkenswert sei hierbei die schnelle Wirkung auf kognitive Einschränkungen, die sich kaum durch periphere Mechanismen erklären lassen.

Die Studienautor:innen betonen, dass viele dieser Symptome ihren Ursprung im zentralen Nervensystem haben: „Das Zurückbilden dieser Symptome durch einen Gepant unterstreicht die zentrale Rolle des Gehirns bei der Migräne und eröffnet die vielversprechende Aussicht, dass das gezielte Ansprechen zentralnervöser Mechanismen ein erfolgversprechender Weg für neue Therapien bei dieser weit verbreiteten und belastenden Erkrankung sein könnte.“

Gepante in der EU

Derzeit ist Ubrogepant nicht in der Europäischen Union – einschließlich Deutschland – zugelassen; die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat bisher keine Marktzulassung für dieses Medikament erteilt. In Europa stehen stattdessen zwei andere Vertreter dieser Substanzklasse zur Verfügung: Rimegepant (Handelsname: Vydura, Pfizer), zugelassen zur akuten Behandlung und zur Prophylaxe episodischer Migräne, sowie Atogepant (Handelsname: Aquipta, AbbVie), das zur Migräneprophylaxe bei Erwachsenen mit mindestens vier Migränetagen pro Monat zugelassen ist.

In den Vereinigten Staaten ist Ubrogepant unter dem Handelsnamen Ubrelvy (AbbVie) seit Dezember 2019 von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA für die akute Behandlung von Migräne mit oder ohne Aura bei Erwachsenen zugelassen. Auch in Kanada ist Ubrelvy seit März 2023 zur Anwendung freigegeben.

Die Studie mit dem Titel „Ubrogepant for the treatment of migraine prodromal symptoms: an exploratory analysis from the randomized phase 3 Prodrome trial“ ist im Fachmagazin Nature Medicine erschienen und wurde unter anderem von Forschenden des King’s College London, der University of California Los Angeles, der Mayo Clinic in Rochester (Minnesota) und dem MedStar Georgetown University Hospital in Washington, D.C. durchgeführt.

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