Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) hat eine Resolution zur Stärkung des Verbraucherschutzes und der Arzneimittelsicherheit im digitalen Gesundheitswesen verabschiedet. Darin sind mehrere Maßnahmen vorgesehen, um dubiosen Anbietern einen Riegel vorzuschieben.
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens bringe zahlreiche Chancen, berge aber auch erhebliche Risiken, heißt es in der Resolution. Dies gelte insbesondere für den Bereich der Arzneimittelversorgung und der Vermittlung medizinischer Dienstleistungen über Online-Plattformen. „Die Entwicklungen der vergangenen Jahre zeigen, dass bestehende Regelungen nicht ausreichen, um eine faktische Aushebelung der Verschreibungspflicht, ein enormes Missbrauchsrisiko und damit einhergehende Gefahren für die Volksgesundheit wirksam zu unterbinden.“
Die Kammerversammlung fordert den Gesetzgeber daher auf, „durch gesetzgeberische Maßnahmen gezielt gegenzusteuern und den Auswüchsen des unzulässigen Arzneimittelvertriebs im Internet effektiv zu begegnen“. Die wirksamste Maßnahme zur Sicherung des Patientenschutzes sei ein Rx-Versandverbot. Das halte man auch für europarechtskonform, zumal es der Praxis in den meisten EU-Mitgliedstaaten entspreche.
„Sollte der Gesetzgeber diese umfassende Lösung nicht umsetzen, hält die Kammerversammlung es für unabdingbar, durch ergänzende Maßnahmen dennoch ein hohes Patientenschutzniveau sicherzustellen. Diese Maßnahmen stellen keine Abschwächung der Forderung nach einem Versandhandelsverbot dar, sondern sind als flankierende Regelungen auch im Falle seiner Einführung sinnvoll und notwendig.“
Konkret verboten werden soll die Belieferung von Verschreibungen, die offenkundig nur auf der Grundlage eines Fragebogens basieren. In § 48 Abs. 1 S. 2 Arzneimittelgesetz (AMG) soll ein entsprechendes Abgabeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel festgeschrieben werden. Eine ähnliche Regelung habe es für analoge ärztliche Verordnungen bereits zwischen dem 24. Dezember 2016 und dem 15. August 2019 gegeben. Die sogenannte DrEd-Regelung habe vorgesehen, dass eine Abgabe von Arzneimitteln, die zur Anwendung beim Menschen bestimmt seien, nicht erfolgen dürfe, wenn vor der ärztlichen oder zahnärztlichen Verschreibung offenkundig kein direkter Kontakt zwischen dem Verschreiber und dem Patienten stattgefunden habe. „Die jetzige Entwicklung zeigt, dass das damalige Verbot dem Grunde nach richtig war.“
Außerdem soll das Versandverbot nach § 17 Abs. 2b Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) um weitere Wirkstoffe und Indikationen erweitert werden; zugleich soll sichergestellt werden, dass dies auch von ausländischen Versandapotheken eingehalten wird. Bislang sind hier nur Lenalidomid, Pomalidomid oder Thalidomid enthalten sowie für zur Notfallkontrazeption zugelassene Arzneimittel mit den Wirkstoffen Levonorgestrel oder Ulipristalacetat. Welche Wirkstoffe noch aufgenommen werden sollten, steht nicht in der Resolution. „Eine Einschränkung der flächendeckenden Versorgung mit Arzneimitteln ist hierdurch nicht zu befürchten, da weiterhin über die niedergelassenen Apotheken die Möglichkeit besteht, Patienten in ihrem Umfeld im Wege des Botendienstes beliefern zu können.“
Außerdem sollen Ordnungswidrigkeiten nach § 15 Heilmittelwerbegesetz (HWG) zu Strafvorschriften hochgestuft werden. Derzeit bestehe keine effektive Möglichkeit, diese Ordnungswidrigkeiten insbesondere dann zu ahnden, wenn es sich um internationale Anbieter handle, da es an den entsprechenden Zuständigkeiten fehle. „Dies kann dadurch verbessert werden, insoweit die Tatbestände als Strafvorschriften auszugestalten.“ Die irreführende Werbung für Lebensmittel sei bereits als Straftatbestände ausgestaltet. „Dieser Wertungswiderspruch muss im Sinne einer einheitlichen strafrechtlichen Ahndungsmöglichkeit ausgeglichen werden.“
In der Folge bestehe dann auch die Möglichkeit, von den weitreichenden Einziehungsmöglichkeiten nach § 73 c Strafgesetzbuch (StGB) in diesem Bereich Gebrauch zu machen, was „aufgrund der hohen Profite der Plattformen interessengerecht erscheint“.
Der Bundesnetzagentur solle die Befugnis eingeräumt werden, rechtswidrige Plattformen im Gesundheitswesen abzuschalten. „Eines der größten Schwierigkeiten ist aktuell das Vollzugsdefizit, insbesondere dann, wenn Plattformen im Ausland sitzen. Auch wenn die Rechtsverstöße festgestellt werden, besteht keine Handhabe gegen die Plattform als solche. Im Interesse eines hohen Verbraucherschutzniveaus sollte die Bundesnetzagentur auch in diesem Bereich, wie es im Bereich anderer Straftaten möglich ist, ermächtigt werden, derartige Plattformen abzuschalten.“
Für die Betreiber bestehe dann die Möglichkeit, auf dem Verwaltungsrechtsweg dies mit der Bundesnetzagentur zu klären. „Effektiver Rechtsschutz ist somit gewährleistet. Bei der Abwägung der Verbraucherinteressen einerseits sowie den Interessen der Plattformbetreiber scheint dies ein zielführender Weg zu sein.“
Ohnehin sollte eine Registrierungspflicht für Plattformen zur Vermittlung gesundheitsbezogener Dienstleistungen eingeführt werden. „Während bei Versandhandelsapotheken durch das einheitliche DIMDI-Logo den Verbrauchern eine gewisse Gewährleistung gegeben wird, dass es sich um kontrollierte Betriebe handelt, besteht mit Blick auf derartige Vermittlungsplattformen von ärztlichen Dienstleistungen keinerlei Kontrolle. Insoweit ist entsprechend den Regelungen zur Registrierung von Versandapotheken ein Siegel zu schaffen, für das sich die Plattformen registrieren lassen müssen. Die Erteilung des Siegels kann dann von der Einhaltung der anerkannten fachlichen Standards abhängig gemacht werden.“
„Etwa ein Viertel des Umsatzes mit rezeptfreien Arzneimitteln läuft mittlerweile über den ausländischen Versandhandel“, kritisierte Abda-Präsident Thomas Preis, der auch Chef des Apothekerverbandes Nordrhein (AVNR) ist, in seiner Rede zur Lage der Gesundheits- und Berufsstandspolitik. „Mit der Rosinenpickerei zerstört dieser Versandhandel die Grundlage für die geordnete Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln systematisch.“
Kritisiert wurde von Delegierten, dass Medikamente online unter dem Netto-Einkaufspreis der Apotheken in Deutschland angeboten würden. „Stimmt, die schreiben ja auch seit 20 Jahren rote Zahlen“, so Preis. „Während wir als Inhaberinnen und Inhaber öffentlicher Apotheken eingetragene Kaufleute sind, wird bei den ausländischen Versendern Fremd- und Risikokapital eingesammelt und auf das schnelle Geld spekuliert. Im Fußball gibt es ‚Financial Fairplay‘. Davon ist im deutschen Gesundheitssystem wenig zu spüren. Händler von T-Shirts und anderem Klimbim werden von unseren Politikern vor Plattformen wie ‚Temu‘ und ‚Shein‘ geschützt und die Apotheken lässt man seit Jahren im Regen stehen. Das kann so nicht weitergehen.“
Kammerpräsident Dr. Armin Hoffmann ergänzte: „Wir müssen aber auch die Apotheke vor Ort weiterentwickeln. Das Zukunftspapier der Abda weist da den Weg: Schnellere Arzneimittelversorgung, mehr Prävention für Patienten, mehr Unterstützung für eine sichere Therapie, mehr Verantwortung und neue Dienstleistungen für die Apotheken – das ist der richtige Weg.“ Nun brauche es den Willen in der Politik, diesen richtigen Weg auch einzuschlagen.
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