Heute hat sich der Gesundheitsausschuss unter anderem mit dem Sudhof-Bericht zur Maskenbeschaffung unter dem früheren Gesundheitsminister und heutigen Unionsfraktionsvorsitzenden Jens Spahn (CDU) befasst. Die Sitzung verlief offenbar ernüchternd: Vertreter der Opposition berichteten im Anschluss von einer unsicheren Ministerin – der Dialog im Ausschuss habe mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet.
Von einem Skandal, bei dem alle zentralen Fragen offen geblieben sind, spricht der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Dr. Janosch Dahmen. Es sei die erste Sitzung des Gesundheitsausschusses gewesen, an dem Warken als neue Gesundheitsministerin teilgenommen habe – und aus seiner Sicht eine denkwürdige Sitzung.
Zunächst seien bereits bei der Planung der Reformvorhaben viele Fragen unbeantwortet geblieben – etwa zur Apothekenreform, die nicht einmal erwähnt worden sei. Maßgeblich sei es heute aber um den sogenannten „Spahn-Skandal“ gegangen.
„Man muss sagen, dass hier in einem Skandal, in dem es nicht um Fehler in guter Absicht geht, nicht um die nachträgliche Bewertung von Krisenmanagement, sondern um den Vorwurf des Machtmissbrauchs im Amt, alle wesentlichen Fragen offen geblieben sind“, so Dahmens Urteil. Die Ministerin sei unsicher aufgetreten. Zwar habe sie eingeräumt, den Bericht vollständig gelesen zu haben, auf Fragen zu Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten habe sie aber kaum Auskunft geben können.
Auf die Frage, ob die geschwärzten Passagen ausschließlich Persönlichkeitsrechte, Datenschutz oder laufende Gerichtsverfahren betreffen – oder ob auch unnötig geschwärzt wurde – habe die Ministerin nicht ausschließen können, dass die Schwärzungen über das notwendige Maß hinausgehen. Stattdessen habe sie versucht, den Vorgang als normalen Bestandteil des Krisenmanagements zu deklarieren.
Dahmen kritisiert, dass weder der Gesundheitsausschuss noch eine Enquete-Kommission über die nötigen Rechte verfügten, um den Fall umfassend aufzuklären – im Gegensatz zu einem Untersuchungsausschuss: „Wir haben eine Situation, wo dieser Skandal inzwischen 40 Mal den Umfang des Maut-Fiaskos von Andreas Scheuer erreicht hat. Jeden Tag laufen Verzugszinsen von einer Million Euro auf“, so Dahmen.
Dahmen kritisierte, dass die Union versuche, „einen Schutzschirm über Spahn zu spannen“. Sondersitzungen würden verhindert, Kleine Anfragen blockiert und Berichte in geschwärzter Form vorgelegt – bei 70 Seiten seien rund 40 nahezu vollständig unleserlich. „Ein ungeheuerlicher Vorgang“, so Dahmen. Das sei gezielte Verschleierungstaktik – und es gehe dabei längst nicht nur um Maskengeschäfte, sondern um Machtmissbrauch.
„Für uns stellen sich nach diesem Gesundheitsausschuss mehr Fragen, als sich Antworten ergeben haben. Wir werden alles daran setzen, hier weitere Aufklärung zu betreiben.“
Auch Grünen-Politikerin Paula Piechotta kritisiert die Sitzung scharf. Von einigen neuen Erkenntnissen sei zwar die Rede gewesen – etwa dass Ministerin Warken zum ersten Mal zugegeben habe, den ungeschwärzten Sudhof-Bericht gelesen zu haben. Doch auf die Frage, was denn nun tatsächlich falsch sei an dem Bericht, habe sie keine Antwort geben können. Sie habe lediglich erklärt, es gebe einige Lücken.
Dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) am Vortag erklärt habe, der Bericht sei fehlerhaft, habe Warken im Ausschuss nicht erklären können. „Das ist schon sehr schwach“, so Piechotta.
Zudem habe man erfahren, dass das Ministerium bis heute nicht überprüft habe, ob Mitarbeitende mit Firmen verknüpft waren, die durch Maskengeschäfte profitiert hätten: „Auch hier ist die Frage: Warum ist das in den letzten fünf Jahren nicht passiert – unter Spahn nicht, unter Lauterbach nicht und auch jetzt nicht unter Warken?“
„Das hier ist eine komplette Farce“, erklärte Piechotta weiter. In einem Untersuchungsausschuss seien die Geladenen verpflichtet, unter Eid auszusagen. Man könne sie auch zum Erscheinen zwingen. Im Gesundheitsausschuss hingegen sei alles freiwillig – das habe auch Warken eingeräumt.
Die Ministerin habe außerdem versucht, sich vorsichtig von Spahn zu distanzieren, so Piechottas Einschätzung. Im BMG herrsche spürbare Nervosität: „Es sitzen viele Leute da, die bereits 2020 im Haus gewesen sind. An der Stelle werden wir in den kommenden Tagen noch sehen, dass sehr, sehr viele die Nerven verlieren“, so Piechotta.
Auch Ates Gürpinar (Die Linke) verurteilt die Kritik des BMG an Margaretha Sudhof als „unverschämt“. Man könne nicht einerseits unterstellen, der Bericht sei fehlerhaft, während im Ministerium selbst Unterlagen verschwunden seien und man nicht einmal mehr wisse, wann der Bericht übergeben worden sei: „Das ist quasi im Glashaus sitzen und mit Steinen werfen“, so Gürpinar.
Dieses Vorgehen sei typisch für Spahn – aber auch für die Union insgesamt, wenn sie spüre, dass sie getroffen sei. Der Gesundheitsausschuss habe mehr Fragen als Antworten hinterlassen, so Gürpinars Einschätzung. Auch von der am Nachmittag anberaumten Sitzung des Haushaltsausschusses erwarte er keine substanziellen Ergebnisse.
„Diese Fragen können nicht in Ausschüssen aufgearbeitet werden – dazu reicht auch keine Aktuelle Stunde im Bundestag. Dafür muss ein Untersuchungsausschuss angesetzt werden“, so Gürpinar. Er rechne aber damit, dass es auch in Union und SPD Abgeordnete gebe, die offen für ein solches Gremium seien: „Wir müssen für Aufklärung sorgen.“ Gürpinar kritisierte außerdem, dass der Gesundheitsausschuss den Bericht erst zwei Minuten vor Sitzungsbeginn erhalten habe.
Seitens der Regierungsparteien Union und SPD wurde bislang kein Statement abgegeben.