Das Markenzeichen vieler PTA-Schüler:innen ist ein großer, dicker Ordner, der nach zwei Jahren Ausbildung aus allen Nähten platzt. Nicht so an der Karl Arnold Schule in Biberach/Riß (KAS): Seit der Corona-Pandemie wird der Unterricht hier zunehmend digitaler – in einigen Fächern sogar vollständig, wie die Lehrerinnen Sibylle Wachter und Gudrun Maurer berichten.
„Mit dem neuen Bildungsplan haben wir uns entschlossen, unseren Unterricht, vor allem in den neuen Fächern Übungen zur Abgabenberatung und Apothekenpraxis, komplett über die Lernplattform zu organisieren“, berichtet Wachter. Inzwischen werden auch Arzneimittelkunde und Medizinproduktekunde vollständig digital unterrichtet. „Für uns ist Pharmazie ein großes Vernetzungsfach – alles hängt miteinander zusammen. Es ergibt einfach Sinn, die Inhalte miteinander zu verweben, Schritt für Schritt“, sagen die Lehrerinnen.
Das Wissen werde inzwischen auch in anderen Schularten der KAS genutzt – etwa im Fach Chemie am beruflichen Gymnasium oder in weiteren Ausbildungsberufen. Konkret heißt das: Die Schüler:innen erhalten sämtliche Lerninhalte über die Plattform und bekommen dafür zu Beginn der Ausbildung ein Tablet von der Schule gestellt.
Ausgelöst wurde der Umstieg durch die Corona-Pandemie, in deren Folge die Schule nach einer digitalen Lösung suchte, um ihre Lernenden ohne Unterbrechung oder Einschränkungen beschulen zu können. Das Land Baden-Württemberg hatte bereits eine datenschutzkonforme Kooperation mit Moodle, einer etablierten Open-Source-Plattform, die seit 2002 entwickelt wird und weltweit zu den meistgenutzten Lernmanagementsystemen gehört.
Die Schülerinnen und Schüler starten die Anwendung auf ihren Tablets parallel zur Unterrichtsstunde, die wie gewohnt abläuft. Gruppen- und Einzelaufgaben sowie Lehrvorträge und praktische Inhalte sind immer noch Teil des Unterrichtskonzepts.
Ein Beispiel: „Zum Thema Diabetes bearbeiteten die Schüler:innen zunächst eine digitale Lerneinheit. Dort ordneten sie anhand von Fotos die einzelnen Schritte einer praktischen Blutzuckermessung sowie die benötigten Geräte zu. Anschließend führten sie die Blutzuckermessung in Partnerarbeit durch und filmten den Vorgang als dokumentarische Aufgabe“, erklärt Wachter.
Das Video luden die angehenden PTA auf der Plattform hoch, wo die Lehrkraft die Arbeit einsehen und bewerten kann. Zusätzlich zeigt die Plattform einen Fortschrittsbalken, mit dem die Schüler:innen ihren Bearbeitungsstand nachvollziehen können.
Das bedeutet auch: Alle Materialien stehen den zukünftigen PTA zu jeder Zeit zur Verfügung. Die Papierflut, die natürlicherweise während der zweijährigen Ausbildung anfällt, gibt es nicht mehr. „Unsere Schüler:innen haben alles digital und immer dabei, Inhalte können über eine Suchfunktion schnell gefunden werden. Nichts kann mehr unter- oder verlorengehen. Das ist meiner Meinung nach ein sehr großer Vorteil, weil jeder immer alles übersichtlich parat hat“, erklärt Maurer.
Neben klassischen textbasierten Aufgaben und oder Quizformaten können auch Video- und Audiomaterial bereitgestellt werden. Letztere erweitern laut Maurer insbesondere das Lernspektrum für die Beratungsfächer. „Bislang mussten wir die Beratungsgespräche als Rollenspiele vor der Klasse organisieren. Jetzt können wir die Schüler:innen jederzeit bitten, eine Audiodatei aufzunehmen.“
Sich selbst das Wissen über die digitale Plattform anzueignen, sei laut Wachter und Maurer durchaus eine Herausforderung gewesen. Beide haben bereits mehrere Fortbildungen absolviert, zudem steht ihnen ein Ansprechpartner an der KAS zur Seite. „Es ist nicht selbsterklärend“, betonen die Lehrerinnen.
Die digitale Umsetzung ihrer Lerninhalte ist für Wachter und Maurer ein Herzensprojekt. „Wir erwarten ja auch von unseren Schüler:innen, dass sie lernen. Das Aneignen von Neuem gilt aber genauso für uns als Pädagoginnen, indem wir uns mit neuen Lerntechniken auseinandersetzen, sie umsetzen und initial natürlich auch prüfen.“ Möglich sei die Umsetzung eines solchen Projekts nur durch eine Schulleitung im Rücken, „die digitale Inovationen aktiv durch Investitionen in Forbildungen, moderne Tools und flexible, digitale Lerntechnologie fördert.“
Ihr Anspruch ist es, ansprechenden Unterricht zu gestalten, der die Schüler:innen in ihrer Lebenswirklichkeit abholt und langfristig für die lernintensive Ausbildung begeistert – und zeigt, was den PTA-Beruf wirklich ausmacht. „Häufig werden vorrangig HV und Rezeptur gezeigt. PTA brauchen aber auch viel technisches Know-how – zum Beispiel beim Warenwirtschaftsprogramm oder digitalen Arbeitsprozessen. Auch darüber können wir Menschen für diesen Beruf begeistern.“